Stellungnahme seitens des Erzbistums Vaduz zum Vernehmlassungsbericht der Regierung betreffend die Abänderung der Verfassung und die Schaffung eines Gesetzes über die staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften

Stellungnahme seitens des Erzbistums Vaduz

 – vertreten durch den Erzbischof von Vaduz –

zum

Vernehmlassungsbericht der Regierung betreffend die Abänderung der Verfassung und die Schaffung eines Gesetzes über die staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften (Religionsgemeinschaftengesetz; RelGG) sowie die Abänderung weiterer Gesetze” (9. Mai 2023)

“Was der Staat ist, entscheidet sich wesentlich darin, wie er sein Verhältnis zur Kirche bestimmt. Gleich, ob er Distanz oder Nähe sucht, ob er sich ihr öffnet oder sie ausgrenzt, ob er Über-, Unter- oder Gleichordnung beansprucht, ob er ihr als Freund, als Feind oder als Neutraler begegnet, stets definiert er damit sein eigenes Wesen, rührt er an den Legitimationsgrund seines Seins und Tuns, gibt er Rechenschaft über seine Ziele und Mittel, über Reichweite und Grenzen seiner Wirksamkeit. Er deckt seine Fundamente auf.”[1]

Dieses Zitat, das am Schluss meines Referates anlässlich des vom Liechtenstein-Institut organisierten Symposiums stand, das vom 25. bis 27. März 1999 in Bendern zum Thema “Staat und Kirche. Grundsätzliche und aktuelle Probleme” stattfand, sei diesmal an den Anfang der kritischen Sichtung, Analyse und Beurteilung des oben genannten Vernehmlassungsberichts der liechtensteinischen Regierung in dieser Stellungnahme seitens des Erzbistums Vaduz, vertreten durch den Erzbischof von Vaduz, gestellt. Es möge erneut dazu anregen, einige grundsätzliche Erwägungen und Anfragen zum vorliegenden regierungsseitigen Vernehmlassungsbericht mit seinen beabsichtigten Änderungen in der Verfassung und mit der Einführung eines Religionsgemeinschaftengesetzes in den Raum zu stellen, die mehr als bedenkenswert sind, da sie das Selbstverständnis des Fürstentums Liechtenstein in seiner Beziehung zur römisch-katholischen Kirche und zu anderen Religionsgemeinschaften betreffen.

 

 

I. Grundsätzliche Gegebenheiten und Voraussetzungen

 

  1. Die Verfassung des Fürstentums Liechtenstein[2], kürzer “Liechtensteinische Verfassung” oder “Landesverfassung” (LV) genannt, definiert in Art. 1 das Territorium des Landes folgendermassen: “Das Fürstentum Liechtenstein ist ein Staatsverband von zwei Landschaften mit elf Gemeinden. Das Fürstentum Liechtenstein soll den innerhalb seiner Grenzen lebenden Menschen dazu dienen, in Freiheit und Frieden miteinander leben zu können. Die Landschaft Vaduz (Oberland) besteht aus den Gemeinden Vaduz, Balzers, Planken, Schaan, Triesen und Triesenberg, die Landschaft Schellenberg (Unterland) aus den Gemeinden Eschen, Gamprin, Mauren, Ruggell und Schellenberg.” Damit wird deutlich, dass die Gemeindeterritorien für den Grössenbestand des Landes ausschlaggebend sind und somit bezüglich der kirchlichen Verhältnisse hauptsächlich die mit den politischen Gemeinden zusammenhängenden Pfarreien in Betracht gezogen werden müssen. Es ist daher bei allgemein betonter Anerkennung der Gemeindeautonomie nicht nachvollziehbar, wenn im Vernehmlassungsbericht der Regierung und in dem vorgesehenen gesetzlichen Regelungswerk diese Tatsache keine sachgerechte Beachtung findet. Offenbar obwaltet hier eine taktisch-politische Überlegung.

 

  1. Wenn nach Art. 8 LV der Landesfürst als Staatsoberhaupt (Art. 7 LV), unbeschadet der erforderlichen Mitwirkung der verantwortlichen Regierung, den Staat in allen seinen Verhältnissen gegen auswärtige Staaten vertritt, dann ist diese Verfassungsnorm nach wie vor anzuwenden, wenn es um die Beziehung des Fürstentums Liechtenstein mit dem Heiligen Stuhl als internationalem Völkerrechtssubjekt geht. Allfällige Staatsverträge, zu denen auch Konkordate mit dem Apostolischen Stuhl zählen, bedürfen nach Art. 8 Abs. 2 LV zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung des liechtensteinischen Landtages.

 

  1. Die bisherigen Bemühungen um den Abschluss einer völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und dem Heiligen Stuhl, die bekanntlich schon weit gediehen war, fanden ganz im Sinne der von der Landesverfassung mehrfach statuierten Konkordanz statt, die in all jenen Belangen zu pflegen ist, wo es sich um die Beziehung zwischen dem Land Liechtenstein und der römisch-katholischen Kirche handelt, die gemäss Art. 37 Abs. 2 LV als “Landeskirche” bezeichnet wird. So ist etwa in Bezug auf das Erziehungs- und Bildungswesen nach Art. 15 LV auf das “Zusammenwirken von Familie, Schule und Kirche” verwiesen, wobei betreffend das unter staatlicher Aufsicht stehende Erziehungs- und Unterrichtswesen klar die “Unantastbarkeit der kirchlichen Lehre” (Art. 16 LV) garantiert ist. Auch im Bereich der kirchlichen Eigentums- und Vermögensverhältnisse ist unter anderem vom “Einvernehmen mit der kirchlichen Behörde” (Art. 38 LV) die Rede. Dieses Konkordanzdenken und dieses stets zu pflegende Konkordanzhandeln waren ganz im Sinne und in der Absicht des Fürsten Johann II. von und zu Liechtenstein, der in seiner Entschliessung vom 2. Oktober 1921 betreffend die Sanktion der neuen Verfassung des Fürstentums Liechtenstein Folgendes festhielt: “Indem Ich diesem Beschlusse Meine landesherrliche Sanktion erteile, spreche Ich den innigen Wunsch und die Hoffnung aus, dass, ebenso wie die Vertreter Meines Volkes sich in der Schaffung dieses für das Land so bedeutsamen Gesetzgebungswerkes ohne Unterschied der Partei einträchtig zusammengefunden haben, auch fürderhin der Geist gleicher Eintracht die Bevölkerung Meines Landes in friedlicher Arbeit zum dauernden Wohle des Ganzen und aller seiner Teile vereinige und aus dem altbewährten, auch weiter zu pflegenden Zusammenarbeiten von Staat und Kirche unter Gottes Schutz auch auf dem Boden des neuen Staatsgrundgesetzes Meinem Volke und Meinem Lande neues Heil und reicher Segen erblühe.”

 

  1. Es muss zur begrifflichen Klärung der in Art. 37 Abs. 2 LV genannten “Landeskirche” neuerlich festgehalten werden, dass es sich hierbei um eine deskriptive und nicht um eine verfassungsmässig konstitutive Aussage handelt. Die römisch-katholische Kirche ist also keine Staatskirche. Sie bedarf von ihrem Selbstverständnis, ihrer Selbständigkeit und ihrer Selbstbestimmung her keiner staatlichen Anerkennung und gilt schon verfassungsgemäss als öffentlich-rechtliche Wirklichkeit. Somit ist bei der Aufzählung von sogenannt staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften in der RelGG-Vorlage der Einbezug der römisch-katholischen Kirche weder sachgerecht noch notwendig. Eine solche etatistische Vereinnahmung, die sich ohnehin mit dem freiheitlichen Staatsverständnis nicht verträgt und eher einem totalitären Staatsbegriff entspringt, ist nicht hinnehmbar.

 

  1. Wenn nach Art. 37 Abs. 2 LV formuliert ist, dass die Landeskirche “als solche den vollen Schutz des Staates geniesst”, dann geht es hier nicht um eine Privilegierung, sondern vielmehr um eine Schutzgarantie betreffend die religiösen Kulthandlungen und das ungestörte Abhalten von Gottesdiensten, die Respektierung der Sakralität und Zweckwidmung von Kirchgebäuden, die Garantie des kirchlichen Eigentums und der entsprechenden Vermögenswerte (vgl. Art. 38 LV), die Gewährleistung des konfessionellen Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen des Landes (vgl. Art. 16 Abs. 4 LV) usw.

 

  1. Mit Gesetz vom 20. Oktober 1987 über die Ausrichtung von Beiträgen an die römisch-katholische Landeskirche[3] sowie mit Gesetz vom 16. Dezember 1998 betreffend die Abänderung des Gesetzes über die Ausrichtung von Beiträgen an die römisch-katholische Landeskirche[4] ist der Staat im Nachgang zur jahrelangen Finanzierung des ehemaligen Dekanates Liechtenstein und seiner Einrichtungen eine nachhaltige Selbstverpflichtung eingegangen. Sich dieser Selbstverpflichtung gegenüber der römisch-katholischen Kirche als Landeskirche durch Abschaffung des genannten Gesetzes entledigen zu wollen, berührt die Grundsätze von Treu und Glauben und von Besitzstandwahrung, müsste somit als odiös empfunden werden und würde einer Planungssicherheit abträglich sein. Das angedachte Modell der Finanzierung von Religionsgemeinschaften in Abhängigkeit von statistischen Erhebungen der Religionszugehörigkeit bedeutet einen Systemwechsel in eine allenfalls schädliche Ungewissheit hinein. Die Finanzierung des Kirchenwesens auf Gemeinde- bzw. Pfarreiebene hingegen bleibt ohnehin bestehen; die Besoldung der katholischen Seelsorgegeistlichkeit und der katholischen Religionslehrkräfte ist vertraglich geregelt – pacta sunt servanda. Im übrigen hat sich inzwischen gezeigt, dass das ursprünglich vorgesehene Mandatssteuersystem bei der Kleinheit unseres Landes nicht praktikabel erscheint. In diesem Zusammenhang sei auch noch kritisch angemerkt, dass die allfällige Einführung eines Kirchensteuer- oder Kirchenbeitragssystems, wie es in benachbarten Ländern (Schweiz, Deutschland, Österreich) besteht und zunehmend infragegestellt wird, hier politisch keine Chance hätte und ohnehin in die falsche Richtung zielte.

 

 

II. Das Erzbistum Vaduz in seiner Beziehung zum Staat

 

  1. Das Erzbistum Vaduz ist im kanonisch-rechtlichem Sinn eine Teilkirche der universalen katholischen Kirche (vgl. Codex des kanonischen Rechtes [CIC] cann. 368 und 369). Gemäss CIC can. 372 § 1 gilt als Regel, “dass der Teil des Gottesvolkes, der eine Diözese bzw. eine andere Teilkirche bildet, gebietsmässig genau abzugrenzen ist, so dass er alle in dem Gebiet wohnenden Gläubigen umfasst.” Diese Umgrenzung infolge der Dismembrierung aus dem Bistum Chur erfolgte 1997 bei der Errichtung des Erzbistums Vaduz dadurch, dass ekklesiologisch angemessenerweise das Gebiet des ehemaligen Dekanates Liechtenstein, das territorial mit dem Land Liechtenstein deckungsgleich war, als Gebiet des Erzbistums Vaduz bestimmt wurde.

 

  1. CIC can. 373 statuiert: “Es ist ausschliesslich Sache der höchsten Autorität, Teilkirchen zu errichten; wenn sie rechtmässig errichtet sind, besitzen sie von Rechts wegen Rechtspersönlichkeit.” Somit ist das Erzbistum Vaduz durch freie, uneingeschränkte und ungehinderte Entscheidung des Papstes kanonisch errichtet worden.

 

  1. Das Erzbistum Vaduz wurde von Papst Johannes Paul II. am 2. Dezember 1997 mit der Apostolischen Konstitution Ad satius consulendum[5] errichtet. Am 21. Dezember 1997 erfolgte in der zur Kathedrale erhobenen Pfarrkirche St. Florin von Vaduz der öffentliche und feierliche Vollzug der Errichtung sowie die Amtsbesitzergreifung durch den ersten Erzbischof. Das ist gegenüber der unzutreffenden Jahresangabe im Vernehmlassungsbericht (S. 8) korrekterweise zu erwähnen.

 

  1. Wie schon dargetan, wird das Erzbistum Vaduz durch den Erzbischof von Vaduz rechtlich und geschäftsfähig vertreten, und zwar im Rahmen und nach Massgabe der in der kanonischen Gesetzgebung der Kirche festgelegten Rechte und Pflichten (vgl. CIC can. 393). Die kirchliche Rechtsordnung ist öffentlich und somit für jeden Interessierten zugänglich. Diese Vertretungskompetenz ist staatlicherseits unbestritten und wird entsprechend wahrgenommen (z.B. in Grundbuchangelegenheiten und Bankgeschäften).

 

 

III. Zum katholischen Religionsunterricht

 

  1. Es gibt aus dem Jahr 2004 Vereinbarungen zwischen den Gemeinden Vaduz, Eschen, Gamprin, Mauren, Ruggell, Schaan, Schellenberg und Triesenberg und dem Erzbistum Vaduz betreffend die Anstellung von Religionslehrkräften an den Primarschulen der Gemeinden.[6] Zugleich wurde im Januar 2003 die “Vereinbarung betreffend den katholischen Religionsunterricht an den öffentlichen weiterführenden Schulen (Ober- und Realschule, Gymnasium) des Fürstentums Liechtenstein zwischen der Regierung des Fürstentums Liechtenstein und dem Erzbistum Vaduz” unterzeichnet (abgeändert 2012).

 

  1. Im Detail seien hier folgende Anmerkungen vorgebracht:

a) 5 Abs. 1 RelGG sieht nur fakultativ den konfessionellen Religionsunterricht vor. Bezüglich der Primarschulen besteht eine vertragliche Verpflichtung seitens der Gemeinden Vaduz, Eschen, Gamprin, Mauren, Ruggell, Schaan, Schellenberg und Triesenberg, den katholischen Religionsunterricht als ordentliches Unterrichtsfach anzubieten, das für alle Schüler römisch-katholischer Konfession verpflichtend ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 der Vereinbarungen). Es wäre wünschenswert und angemessen, das Angebot des konfessionellen Religionsunterrichts auch in den anderen öffentlichen Schulen gesetzlich zu verankern (ähnlich zu Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland: “Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen […] ordentliches Lehrfach.”). In der bisherigen Verfassung war das der Fall - die Präsenz der Kirche in der Schule ist dort verbindlich verankert (vgl. Art. 15 LV, wo von einer Mitwirkung der Kirche im Erziehungs- und Bildungswesen die Rede ist, und Art. 16 Abs. 1 und insbesondere Abs. 4 LV, wo die Präsenz der Kirche in der Schule deutlich vorgesehen ist ). Den konfessionellen Religionsunterricht nunmehr zu einer blossen, u.U. vielleicht einmal verzichtbaren Option zu degradieren, ist ein sehr weitreichender einseitiger Schritt, der dem notwendigen Prinzip der Kooperation zwischen Staat und Kirche nicht gerecht wird, ja zuwiderläuft.

b) Den konfessionellen Religionsunterricht in das Format des Faches “Ethik und Religionen” als eine Art konfessionelle Variante zu zwängen (vgl. Art. 5. Abs. 1-2 RelGG), steht in Spannung zur korporativen Religionsfreiheit und dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften. Bezogen auf Art. 5 RelGG ist zur Vermeidung von Missverständnissen und Übergriffen anzubringen, dass die Inhalte des Religionsunterrichts von der betreffenden Religionsgemeinschaft verantwortet werden.

c) Im neuen Art. 8 Abs. 3 des Schulgesetzes (SchulG) ist vorgesehen, dass bezüglich der Lehrpläne von den Religionsgemeinschaften sicherzustellen sei, “dass die Lernziele aus dem Fach ‚Ethik und Religionen' ebenfalls abgedeckt sind”. Diese Forderung ist ein Übergriff in die Religionsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften. Die im neuen Art. 8 Abs. 3 SchulG vorgesehene Rücksprache der Religionsgemeinschaften mit dem Schulamt bei der Erstellung der Lehrpläne muss dies ebenfalls berücksichtigen. Sie kann kein inhaltliches Mitbestimmungsrecht des Schulamtes bedeuten.

d) Bezüglich des Faches “Ethik und Religionen” ist überhaupt anzufragen, inwieweit ein bislang verfassungsmässig garantierter katholischer Religionsunterricht in dieses Fach hineingezwängt werden kann. Der Liechtensteiner Lehrplan (LiLe), welcher auf dem Lehrplan 21 der Deutschschweizer Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (D-EDK) basiert, wurde von der Regierung erlassen und im Dezember 2018 genehmigt. Eine Heranziehung dieser Verordnung zur Einschränkung des katholischen Religionsunterrichts wäre verfassungswidrig.

e) Betreffend das Gesetz vom 26. November 2003 über das Dienstverhältnis der Lehrer (Lehrerdienstgesetz LdG)[7] ist eine Aufhebung der Art. 44-46 vorgesehen. Nach Art. 44 LdG war vorgesehen, dass auf das kirchliche Lehrpersonal ausschliesslich die Art. 18, 19, 22 bis 25, 42, 43, 45, 46 und 48b anwendbar sind. Der Kommentar des regierungsseitigen Vernehmlassungsberichts erläutert hierzu auf S. 68: “Die hier enthaltene Aufzählung jener Artikel des Lehrerdienstgesetzes, die auch auf kirchliches Lehrpersonal anwendbar sind, kann künftig entfallen. Denn die Neuordnung sieht vor, dass alle Religionslehrpersonen als reguläre Lehrpersonen beim Land Liechtenstein bzw. Schulamt angestellt sind. Somit unterstehen sie regulär den Bestimmungen des Lehrerdienstgesetzes.” Das wird dem kirchlichen Lehrpersonal (konfessioneller Religionsunterricht) nicht gerecht (vgl. auch die Vereinbarungen der Gemeinden Vaduz, Eschen, Gamprin, Mauren, Ruggell, Schaan, Schellenberg und Triesenberg mit dem Erzbistum Vaduz aus dem Jahre 2004, wo in Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 vorgesehen ist, dass die Gemeinden und nicht das Land die Anstellungsorgane sind). Es ist stets zu berücksichtigen, dass nicht nur die Lehrinhalte des katholischen Religionsunterrichts von der Kirche verantwortet werden, sondern dass auch die Lehrpersonen, welche katholischen Religionsunterricht erteilen, eine kirchliche Lehrerlaubnis seitens des Ortsordinarius benötigen. Nur so kann es katholischen Religionsunterricht geben (vgl. Art. 16, Abs. 4 LV).

 

 

 

IV. Zum Selbstverständnis und Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften

 

  1. In Bezug auf die Vorlage von Art. 2 RelGG ergeben sich noch folgende Fragen: Ist die “evangelische Kirche” gleichbedeutend mit der in die Vernehmlassung einbezogenen “Evangelischen Kirche im Fürstentum Liechtenstein” (Verein)[8]? Wer repräsentiert bzw. vertritt rechtskräftig und geschäftsfähig die evangelische Kirche, die ja über die Landesgrenzen hinaus als solche besteht? Dieselben Fragen stellen sich auch für die “evangelisch-lutherische Kirche”: Ist diese identisch mit der in die Vernehmlassung miteinbezogenen “Evangelisch-lutherischen Kirche im Fürstentum Liechtenstein” (Kirchgemeinde)[9]? Wer ist befugt, “die evangelisch-lutherische Kirche” zu repräsentieren bzw. rechtmässig zu vertreten? Diese ist ebenfalls übernational. Analog würden sich solche Fragen auch stellen bei anderen Bewerbern um die sogenannte staatliche Anerkennung zur Erlangung des öffentlich-rechtlichen Status. Diese Anfragen an den Staat führen zur noch grundsätzlicheren Frage: Wer entscheidet staatlicherseits über die staatliche Anerkennung? Ist das der Gesetzgeber (Landtag/Fürst), die Landesregierung, eine staatliche Behörde? Wer ist im jeweiligen Fall in der Lage, den Religionscharakter allfälliger Bewerber um die staatliche Anerkennung und damit um die Zuerkennung des öffentlich-rechtlichen Status zu beurteilen und somit die Identität der betreffenden Religionsgemeinschaft festzustellen? Durch die Schaffung eines einseitig vom Staat erlassenen Religionsgemeinschaftengesetzes wird die Problematik einer “Verstaatlichung” von Religionen oder religionsähnlichen Gesellschaften offenbar und somit auch gewissermassen eine Überforderung des Staates im heutigen gesellschaftlichen Kontext voraussehbar. Auch da entstünde eine unübersehbare “Baustelle” für die staatliche Seite.

 

  1. In Bezug auf das Ernstnehmen einer wirklichen Ökumene und eines sachgerechten interreligiösen Dialogs gilt es noch anzumerken, dass zum Beispiel bezüglich der evangelischen Mitchristen grundsätzlich das Gemeindeprinzip gilt – im Unterschied zur katholischen Kirche, die hierarchisch gegliedert und geordnet ist; bezüglich des Islam ist zu bedenken, dass dieser stets in einer politischen Verschränkung auftritt und somit keine Trennung von Religion und Staat gegeben ist (vgl. die Selbstbezeichnung der betreffenden islamischen Gemeinschaften).

 

  1. Mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften ist ausserdem anzumerken, dass es aus Sicht der Religionsfreiheit problematisch ist, in Art. 7 Abs. 2 litt. c-d) RelGG ein Bekenntnis zum interreligiösen, intrareligiösen oder ökumenischen Dialog sowie Bestimmungen zur Beendigung der Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft zu fordern. Im Entwurf des RelGG von 2012, BuA 2012/114, Art. 7 Abs. 2 litt. c-d) waren nur das “Bekenntnis, wonach der Religionsfrieden respektiert wird”, und Bestimmungen gefordert “betreffend den Beginn und die Beendigung der Mitgliedschaft, wobei ein Austritt mit Wirkung für den staatlichen Bereich jederzeit möglich sein muss”.

 

  1. Mit dem Entwurf von Art. 24 RelGG widerspricht sich der Staat selbst. Denn seit einigen Jahren wird von der Einwohnerkontrolle und vom Zivilstandsamt die Religionszugehörigkeit aus Datenschutzgründen nicht mehr erhoben. Nun soll es bei der gleichen Datenschutz-Rechtslage wieder zulässig sein? Abgesehen davon dürfte die nachträgliche individuelle Erhebung der Religionszugehörigkeit aller Einwohner Liechtensteins schlicht und einfach nicht praktikabel sein. Fakt ist, dass es derzeit dazu keine ansatzweise verlässlichen Daten gibt. Die staatlichen Angaben zur Religionszugehörigkeit beruhen seit vielen Jahren auf den (anonym durchgeführten) Befragungen bei der Volkszählung und haben somit rein statistischen Charakter.

 

  1. Es fällt auf, dass der Entwurf zu einem RelGG in vielen Bereichen Bezug nimmt zu staatlichen Rechtsmaterien, die auf Verordnungsbasis geregelt sind. Das ist in rechtstechnischer Hinsicht suboptimal, weil Verordnungen deutlich volatiler sind als Gesetze. Beispielsweise sei auf folgende Punkte hingewiesen:

Zur Berechnung der Finanzleistungen des Staates an Religionsgemeinschaften wird im Entwurf RelGG auf die statistischen Erhebungen des Staates verwiesen, deren Inhalt auf Verordnungsebene geregelt ist (Statistikverordnung).

Bezüglich des konfessionellen Religionsunterrichts werden im Entwurf eines RelGG Fächernamen aus dem derzeitigen Lehrplan zitiert. Der Inhalt des Lehrplans entspricht einem Regierungsbeschluss und ist nicht auf Gesetzesebene erlassen. Durch die Verzahnung mit dem Schweizer Lehrplan ist zumindest mittelfristig mit zahlreichen Änderungen im LiLe zu rechnen. So wird der LiLe (wie die entsprechenden Schweizer Lehrpläne) auf einer Schweizer Internetplattform publiziert.

 

 


V. Generelle Erwägungen zum politischen Umgang mit Religionsgemeinschaften

 

Im Hinblick auf die gegenwärtige Religionspolitik ist es angebracht, die nachfolgenden Anmerkungen vorzubringen:

 

  1. Die angestrebte Parität des Staates gegenüber den Religionsgemeinschaften wäre auch durch die Verfassungsänderung und das RelGG nicht gewährleistet. Auf kommunaler Ebene besteht weiterhin die Gefahr von entsprechenden Eingriffen in kirchliche Angelegenheiten und von Nichtbeachtung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechtes. Um eine rechtliche Gleichstellung zu gewährleisten, müsste diesbezüglich eine institutionelle Entflechtung auf Gemeindeebene erfolgen, wie das im ausgehandelten Entwurf des Abkommens zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und dem Heiligen Stuhl vorgesehen war. Durch die geplante neue Gesetzgebung wäre die katholische Kirche hierzulande insofern benachteiligt, als ihre “Sonderstellung” nur eine scheinbare Autonomie markiert und – im Gegensatz zum geplanten neuen Art. 37 Abs. 3 LV – eine Autonomie auf Gemeindeebene nicht wirklich gewährleistet ist. Eine vertragliche Bereinigung der vermögensrechtlichen Verhältnisse auf Gemeindeebene, wie sie in Art. 23 Abs. 2 RelGG vorgesehen ist, würde einheitlich nur im Zusammenhang mit einem Abkommen mit dem Heiligen Stuhl zu erreichen sein. Da ein solches Abkommen bisher nicht in Kraft getreten ist und seitens des Staates offenbar aktuell keine Neuverhandlungen in dieser Richtung beabsichtigt sind, sind die bisherigen Vereinbarungen zwischen den Gemeinden und Pfarreien obsolet, da sie alle ausdrücklich an den Abschluss eines Abkommens zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und dem Heiligen Stuhl gekoppelt sind bzw. waren (vgl. Präambel der Vereinbarungen).

 

  1. Art. 23 Abs. 1 RelGG sieht eine unnötige Klausel zur Einschränkung des Inhalts eines Vertrags mit einer Religionsgemeinschaft (“soweit sie durch dieses Gesetz nicht geregelt sind”) vor.

 

  1. Im “Bericht und Antrag der Regierung an den Landtag des Fürstentums Liechtenstein betreffend die Neuregelung des Verhältnisses zwischen Staat und Religionsgemeinschaften” vom 2.10.2012 (BuA 2012/114) wurden bereits ähnliche unilaterale Vorschläge zur Verfassungsänderung und für ein Religionsgemeinschaftengesetz gemacht (mit teils besseren Konditionen - vgl. Art. 5 Abs. 1, Art. 15 RelGG 2012). Die Sicht des Erzbistums Vaduz zu dieser Art der Religionspolitik bleibt die gleiche.[10] Es ist bedauerlich, dass das ausgehandelte Abkommen mit dem Heiligen Stuhl, das in der Gesetzesinitiative BuA 154/2012 Berücksichtigung fand, nicht weiter verfolgt werden konnte, weil einzelne Gemeinden nicht bereit waren, zweckgewidmetes kirchliches Vermögen als solches anzuerkennen und dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche zu überlassen.

 

  1. Die katholische Kirche befürwortet eine institutionelle Trennung bzw. Entflechtung von Kirche und Staat, aber nicht durch einseitiges benachteiligendes Diktat des Staates. Vielmehr favorisiert sie eine partnerschaftliche Klärung des Verhältnisses von Kirche und Staat und das Modell einer freundschaftlichen Kooperation zwischen Staat und Kirche.[11] Das aber geht nach kirchlichem Verständnis nur mittels eines Dialogs auf Augenhöhe und einer in einem Abkommen mit dem Heiligen Stuhl festzuhaltenden näheren Ordnung.

 

  1. Im Übrigen ist das Einvernehmen des Staates mit der Kirche im Fürstentum Liechtenstein auch ein Gebot des aktuellen Verfassungsrechts: Das in Art. 38, 2. Satz LV angemahnte Einvernehmen mit der kirchlichen Behörde ist ein Programmsatz der liechtensteinischen Staatskirchenrechtsordnung und “darf nicht allein auf Art. 38 letzter Satz der geltenden Verfassung beschränkt bleiben, wie man etwa auf den ersten Anblick aus dem Wortlaut dieser Verfassungsbestimmung zu schließen geneigt ist”[12]. Es ist problematisch, wenn dieser Passus in der Verfassungsänderung jetzt einfach gestrichten werden soll (vgl. Vernehmlassungsbericht, S. 74).

 

  1. Die Kooperation zwischen Staat und Kirche bildet einen wesentlichen Grundpfeiler der Geschichte und Gesellschaft des Fürstentums Liechtenstein, der nicht einfach aufgegeben werden soll, auch wenn sich die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse seit 1921 in vieler Hinsicht geändert haben. In Angelegenheiten, welche die Kirche und Religionsgemeinschaften betreffen, ist auf Stabilität zu achten, da hier auch persönliche und emotionale Elemente hineinspielen, die viele zwischenmenschliche Bereiche betreffen. In diesem Sinn erklärte Fürst Johann II., unter dem die geltende Verfassung des Fürstentums Liechtenstein vom 5. Oktober 1921 (LV) erlassen wurde, in seinem Begleitschreiben zur Verfassungsurkunde: “Indem Ich diesem Beschlusse Meine landesherrliche Sanktion erteile, spreche Ich den innigen Wunsch und die Hoffnung aus, dass, ebenso wie die Vertreter Meines Volkes sich in der Schaffung dieses für das Land so bedeutsamen Gesetzgebungswerkes ohne Unterschied der Partei einträchtig zusammengefunden haben, auch fürderhin der Geist gleicher Eintracht die Bevölkerung Meines Landes in friedlicher Arbeit zum dauernden Wohle des Ganzen und aller seiner Teile vereinige und aus dem altbewährten, auch weiter zu pflegenden Zusammenarbeiten von Staat und Kirche unter Gottes Schutz auch auf dem Boden des neuen Staatsgrundgesetzes Meinem Volke und Meinem Lande neues Heil und reicher Segen erblühe.”

 

  1. Bezüglich der liechtensteinischen Landesverfassung kann nicht einfach kritiklos hingenommen werden, dass deren Wortlaut gewissermassen mit dem, was man gemeinhein “Verfassungswirklichkeit” zu bezeichnen geneigt ist, in Spannungen oder gar Widersprüchlichkeiten gerät. Wenn in Anlehnung an “mainstream”-Mentalitäten und in Übernahme von entsprechenden Agenden einer ideologischen Unterwanderung oder ständigen Veränderung im Verfassungs- und Gesetzesbereich Vorschub geleistet wird, dann wird sich zwangsläufig ein Geist der Rechts- und Gesetzesbeugung ausbreiten, die eine zunehmende Destabilisierung der Gesellschaft zur Folge hat. Gerade in religionsrechtlicher Hinsicht bedarf es einer sachlich korrekten Religionspolitik, die der Stabilität dient – und dies vor allem auch im Hinblick auf die jüngere Generation und auf die künftigen Generationen. Andernfalls muss man sich nicht wundern, wenn in einer Gesellschaft der moralische und kulturelle Standard immer mehr abgleitet und Schaden nimmt.

 

 

VI. Einige Schlussfolgerungen

 

  1. Die Verfassung des Fürstentums Liechtenstein ist – obwohl gut hundertjährig bestehend – erstaunlich weitsichtig, realitätsbezogen und auch zukunftsfähig, wenn es um die Beziehung zur Religion und zu Religionsgemeinschaften in unserer Gesellschaft geht. Hier hat der Gesetzgeber 1921 grundsätzlich eine sachgerechte Perspektive vor Augen gehabt und danach gehandelt.

 

  1. Die Option des Abschlusses eines gegenüber den bisherigen Entwürfen durchaus ergänzungs- und verbesserungsbedürftigen Abkommens zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und dem Heiligen Stuhl betreffend die religionsrelevanten Verhältnisse zwischen dem Land Liechtenstein und der römisch-katholischen Kirche sollte auf jeden Fall offengehalten werden. Eine konkordatarische Lösung – entsprechend der schon in der liechtensteinischen Verfassung vorhandenen Konkordanzvorgaben – würde unserem Land nur schon aus souveränitätspolitischen Überlegungen gut anstehen – wohlbedenkend, dass in jüngerer Zeit eine Reihe von “Accordi” zwischen dem Heiligen Stuhl und verschiedenen Staaten und staatlichen Organisationen abgeschlossen wurden.[13]

 

  1. Da das Erzbistum Vaduz sich in Bezug auf einzelne rechtlich relevante Gegebenheiten bereits gleichsam auf “Augenhöhe” im Verhältnis zum Staat stützen kann (grundbücherliche Existenz sowie rechtskräftige und geschäftsfähige Akte der ordentlichen und ausserordentlichen Verwaltung und spezifische Vereinbarung betreffend den Religionsunterricht an den weiterführenden öffentlichen Schulen des Landes), ist kirchlicherseits eine Abänderung von Verfassungsnormen und gesetzlichen Bestimmungen weder erforderlich noch nötig.

 

  1. Die Regelung der Beziehung des grundsätzlich sich freiheitlich verstehenden Staates mit anderen Religionsgemeinschaften oder religionsähnlichen Einrichtungen ist gemäss deren Selbstverständnis und Selbstorganisation dadurch zu erreichen, dass diese die staatlicherseits zuerkannte Rechtspersönlichkeit erlangen und somit rechts- und geschäftsfähig werden.

 

  1. Sofern man sich staatlicherseits nicht auf eine bestimmte Form der Subventionierung der mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Religionsgemeinschaften festlegen kann oder will, wird solchen Gemeinschaften die Selbstfinanzierung überlassen, wobei ihnen in Anerkennung ihres gemeinnützigen Charakters die subjektive Steuerbefreiung zuerkannt wird. Die budgetmässige Finanzierung des Kirchenwesens auf Gemeindeebene bleibt davon unberührt, da hier haushaltsbedingte Leistungen und vertragsgebundene Verpflichtungen bestehen.

 

  1. Die Schaffung eines in vieler Hinsicht fragwürdigen Religionsgemeinschaftengesetzes mit entsprechenden Implikationen zur Änderung von Verfassungsartikeln und Gesetzesvorschriften, wie sie einseitig durch den Staat erfolgen würden, ist bei näherer Betrachtung obsolet und würde nur eine Reihe von Problemen mit sich bringen, die unübersehbare Folgen zeitigt, welche bei Wahrnehmung der konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse hierzulande keinen realistischen Anhalt hätten. Die liechtensteinische Bevölkerung ist – wenn überhaupt – grossmehrheitlich an der Aufrechterhaltung der (noch) vielfältigen religiösen Dienstleistungen interessiert und hat im Grunde keinerlei Bedarf an ideologischen Diskussionen und akademisch abgehobenen theoretischen Debatten. Dessen sollten sich sowohl die Politik des Landes als auch die hiesigen Medienschaffenden vermehrt bewusst werden. Kurzum: Bodenhaftung, Realitätswahrnehmung und Volksnähe im Alltagsleben sind angesagt.

 

  1. Auch wenn vordergründig in einer freundlich anmutenden Tonart das RelGG beworben wird, so bleibt doch jene hintergründige “etatistische” Sicht- und Vorgehensweise nicht verborgen, wodurch sich die staatliche bzw. politische Seite nach und nach einer Materie bemächtigen möchte, die nur sehr bedingt und sehr beschränkt in die Zuständigkeit des Staates fällt. Wohin eine politische “Salami”-Taktik führt, lässt sich in Bezug auf verschiedene gesellschaftliche Bereiche leicht aufzeigen (vgl. etwa Gesetz betreffend die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Personen, Vorstösse in Richtung “Ehe für alle”, Genderismus). Darauf kirchlicherseits hinzuweisen, ist geradezu eine heilige Pflicht.

 

  1. Angesichts des in manchen Ländern Europas seit längerem vorhandenen und sich weiter ausbreitenden Neuheidentums erlaube ich mir und scheue ich mich nicht, zum Abschluss dieser Stellungnahme den heiligen Glaubensboten und Märtyrerbischof Bonifatius (✝ 754) zu zitieren, der die geistlichen Hirten ermahnt: “Die Kirche fährt über das Meer dieser Welt wie ein grosses Schiff und wird von den Wogen – das sind verschiedene Versuchungen in diesem Leben – hin- und hergeworfen. Wir dürfen das Schiff nicht verlassen, wir müssen es lenken. ... Wir wollen nicht stumme Hunde sein und schweigend zuschauen, nicht Mietlinge, die vor dem Wolf fliehen, sondern eifrige Hirten: Über die Herde Christi wollen wir wachen und allen Menschen jeden Ratschluss Gottes verkünden, den Grossen und den Kleinen, den Reichen und den Armen, jedem Stand und jedem Alter, soweit Gott uns die Kraft dazu gibt, gelegen und ungelegen, wie es uns der heilige Gregor in seiner Pastoralregel vorgeschrieben hat.”[14]

 

 

Vaduz/Schellenberg, 5. Juni 2023

 

 

 

                                                                                ✠ Wolfgang Haas

                                                                                     Erzbischof von Vaduz

 

[1] Josef Isensee u. Wolfgang Rüfner, Zu Wirkung und wissenschaftlichem Profil von Joseph Listl, in: Joseph Listl, Kirche im freiheitlichen.Staat. Schriften zum Staatskirchenrecht und Kirchenrecht, hrsg. v. J. Isensee u. W. Rüfner in Verbindung mit W. Rees, Erster Halbband, Berlin 1996, S. XXVII.

[2] Quelle:

https://gesetze.li/konso/1921015000?search_text=verfassung&search_loc=text&lrnr=&lgblid_von=&observe_date=24.05.2023

[3] Quelle:

https://gesetze.li/konso/1987063000?search_text=r%C3%B6misch&search_loc=text&lrnr=&lgblid_von=&observe_date=26.05.2023

[4] Quelle:

https://gesetze.li/konso/1987063000?search_text=r%C3%B6misch&search_loc=text&lrnr=&lgblid_von=&observe_date=26.05.2023

[5] Acta Apostolicae Sedis. Commentarium officiale [AAS] 90 (1998) 8-9.

[6] (vgl. http://www.erzbistum-vaduz.li/index.php/dokumente/99-religionsunterricht-an-den-primarschulen-vereinbarungen-mit-den-gemeinden)

[7] Quelle:

https://gesetze.li/konso/2004004000?search_text=lehrerdienstgesetz&search_loc=text&lrnr=&lgblid_von=&observe_date=26.05.2023

[8]Quelle:

http://www.kirchefl.li/cms/uploads/VerlinkteDaten/UnsereKirche/Gemeindeordnung/Gemeindeordnung.pdf (abgerufen am 29.05.2023)

[9] Quelle:

http://www.luth-kirche.li/ (abgerufen am 24.05.2023).

[10] “Die katholische Kirche brachte im Rahmen ihrer Stellungnahme vor, dass zur Erreichung des Ziels einer wohlwollenden konsensuellen Entflechtung von Staat und katholischer Kirche auf eine vertragliche Lösung zu verweisen sei. Die Regierung versuche eine Materie zu regeln, die sie unilateral nicht sachgemäss zu regeln vermöge. Deshalb werde der Abschluss eines Konkordats mit der katholischen Kirche und von Verträgen mit den anderen Religionsgemeinschaften zur Regelung der gegenseitigen Beziehungen vorgeschlagen” (Vernehmlassungsbericht, S. 27f).

[11] Vgl. dazu: Erzbischof Wolfgang Haas, Wie sieht Erzbischof Wolfgang Haas das Verhältnis von Staat und Kirche und jenes zwischen Liechtenstein und der römisch-katholischen Kirche?, in: H. Wille / G. Baur (Hgg.), Staat und Kirche. Grundsätzliche und aktuelle Probleme, Vaduz 1999, 271f.: “Folgt man den verbindlichen Aussagen und Grundsätzen der Erklärung über die Religionsfreiheit des Zweiten Vatikanischen Konzils gibt es keine andere den Richtlinien der katholischen Kirche entsprechende Lösung des Verhältnisses von Kirche und Staat als eine institutionelle Trennung: Die Instanzen der Kirche und des Staates dürfen nicht identisch sein. Dabei ist aber zu betonen, dass Trennung von Kirche und Staat keinesfalls ein feindlicher Vorgang bedeuten soll oder muss. Im Gegenteil: Nur wenn die Institutionen von Kirche und Staat nicht identisch sind, also nur wenn sie institutionell getrennt sind, dann ist die vom Zweiten Vatikanischen Konzil wörtlich geforderte Unabhängigkeit und Autonomie der Kirche möglich. Erst dann kann überhaupt von einem partnerschaftlichen Zusammenwirken von Kirche und Staat in gemeinsamen Bereichen die Rede sein. Der ganze Vorgang der Entflechtung soll […] durch eine partnerschaftliche, nach Möglichkeit vertragliche Regelung erfolgen. Im Fürstentum Liechtenstein bzw. in der Erzdiözese Vaduz ist diese institutionelle Trennung auf der Ebene der Pfarrei bisher nicht vollzogen worden. Hier besteht von den Strukturen her nach wie vor eine Art Staatskirche. […] Die Trennung von Kirche und Staat kann verschieden ausgestaltet sein: Es kann sich um eine kirchenfreundliche oder um eine kirchenfeindliche Trennung handeln. […] Wenn sich die katholische Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil für die institutionelle Trennung von Kirche und Staat stark macht, so verfolgt sie damit gewiss nicht das Ziel einer Opposition zu den Staaten, sondern will vielmehr durch die institutionelle Trennung ein echt partnerschaftliches Verhältnis aufbauen. Die katholische Kirche bevorzugt ein partnerschaftliches, d.h. vertraglich geregeltes Verhältnis, was die zahlreichen völkerrechtlichen Verträge belegen, die der Apostolische Stuhl auch in der Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil mit sehr vielen Staaten geschlossen hat.”

Ganz allgemein gilt: “Die einseitige staatliche Regelung von religionsrechtlichen Fragen - das sogenannte Staatskirchenrecht - soll sich aus der Sicht des Zweiten Vaticanums auf ein Minimum beschränken, d.h. auf das Garantieren der gerechten Erfordernisse der öffentlichen Ordnung. Würde die angestrebte Neuregelung des Verhältnisses von katholischer Kirche und Fürstentum Liechtenstein nur auf staatsrechtlichem Weg vollzogen, würde das dem Verständnis der katholischen Kirche nicht entsprechen” (a.a.O., S. 273).

[12] Herbert Wille, Staat und Kirche im Fürstentum Liechtenstein, Freiburg/Schweiz 1973, S. 74; vgl. auch a.a.O., S. 167-169. Bezüglich des Einvernehmlichkeitspassus in Art. 38 bemerkt Wille: “Von der systematischen Zuordnung zu Art. 38 der Verfassung her gesehen, liegt es nahe, diese Formel auf gemischte Belange zugeschnitten zu belassen. Demzufolge beinhaltet sie die für den Staat grundsätzliche Norm - nach der sich selbstverständlich auch die Kirche zu richten hat - wonach Angelegenheiten, die sowohl den staatlichen wie den kirchlichen Bereich berühren, im gegenseitigen Einvernehmen zu ordnen sind. Ein einseitiges gesetzgeberisches Vorgehen auf staatlicher Seite wäre verfassungswidrig, und das erlassene, verfassungsverletzende Gesetz nichtig. In dieser Bestimmung findet also die Superiorität des staatlichen Rechts ihre Schranken. So gesehen, käme dieser Formel eine über Art. 38 letzter Satz hinausreichende Bedeutung zu, und es wären damit die staatlichen wie die kirchlichen Ansprüche in den gemischten Angelegenheiten ausreichend, d.h. verfassungsmäßig geschützt” (a.a.O., S. 75).

[13] Einen kleinen Einblick in diese Materie bietet die Sondernummer der Acta Apostolicae Sedis AAS vom 15. September 2021 (An. et vol. CXIII).

[14] Aus dem lateinischen Original: Epistola 78 (MGH ep. 3, S. 352/354).