Hirtenbrief zur Fastenzeit 2014

Ich bin bei euch

Hirtenbrief zur Fastenzeit 2014 von Msgr. Wolfgang Haas, Erzbischof von Vaduz

(Der Hirtenbrief ist am 1. Fastensonntag, 9. März 2014, in allen Gottesdiensten vorzulesen. Er kann auch auf zwei Fastensonntage verteilt vorgetragen werden. Zur Veröffentlichung in der Presse ist er vom 10. März 2014 an freigegeben.)

 

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

“Einige aber hatten Zweifel”1 - Die Rede ist von jenen aus der Gruppe der elf Jünger, die auf dem Berg, den Jesus ihnen genannt hatte, den auferstandenen Herrn sahen und vor ihm niederfielen. Manche haben auch heute Zweifel, wenn es um die wirkliche Gegenwart Jesu Christi geht - um sein ständiges Dasein, um seine bleibende Anwesenheit, um sein fortwährendes Wirken. Viele haben nicht nur Zwei­fel, sie ha­ben - was noch bedenklicher ist - nicht einmal mehr Interesse daran. Glaubensschwund, Glaubenslosigkeit und religiöse Gleich­gültigkeit sind leider nicht selten und belasten das kirch­liche Leben und insbesondere die Seelsorge oft mehr als offene Kritik. Gelegentlich spricht man schon von einer “Globalisierung der Gleichgültigkeit”2.

Unabhängig davon, ob einige offenbar Zweifel an der Auferstehung hatten, tritt Jesus auf seine Apostel zu und sagt zu ihnen: “Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß3: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt”4. Der Missionsauftrag des Herrn und die Zusage seiner Gegenwart durch alle Zeiten erfordern Glauben und Vertrauen. Sie rufen auf zum Handeln und zum Wandeln, zur Tätigkeit und zur Bewegtheit. Der Appell des Gottessohnes lautet nicht: Setzt euch hin zu fruchtlosen Dialogrunden und zu endlosen Debattierclubs! Macht euch breit und bekannt in emotionsgeladenen Talkshows und langweiligen Symposien! Profiliert euch in streitbaren Arenen und wortreichen Gladiatorenkämpfen! Von all dem hören und sehen wir nichts, wenn wir den göttlichen Erlöser betrachten und uns von ihm belehren lassen. Im Gegenteil: Jesus ist jeder Geschwätzigkeit abhold. Er mahnt uns sogar allen Ernstes: “Über jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen.”5

Wir leben in Zeitumständen, die auf verschiedenen Ebenen durch vielfältige Verwirrungen und Verirrungen gekennzeichnet sind. Oft geradezu in sich widersprüchliche persönliche Ansichten und relativistisches Denken haben derart überhand genommen, dass das bleibend Gültige, wie es uns durch Gott selbst geoffenbart ist und von der Kirche bezeugt wird, kaum etwas oder gar nichts mehr zählt. Ganz offenbar wird dies, wenn es um die göttliche Schöpfungsordnung geht. Die Tötung des Kindes im Mutterschoss, die Missachtung der gottgewollten Zuordnung von Mann und Frau, die Untergrabung des christlichen Verständnisses von Ehe und Familie sind nur einige gravierende Beispiele für diese besorgniserregende Entwicklung in unserer Gesellschaft des ungezügelten Vergnügens, des verantwortungslosen Umgangs mit Hab und Gut, der ungeordneten Leidenschaften und Begierden. Hier stehen wir mit dem Anspruch, der aus dem Evangelium Jesu Christi komm­t, geradezu quer in der Landschaft. Das könnte - mensch­lich betrachtet - mutlos machen und zu Zweifeln Anlass geben, wie es jenen erging, die auf dem Berg grosse Mühe hatten, bei all dem, was am Karfreitag geschehen war, den auferstandenen Herrn wahrzunehmen. “Einige aber hatten Zweifel”6­, was wir eigentlich gut nachvollziehen kön­nen; dennoch dürfen wir nicht dabei stehen bleiben und in uns eine schlechte Stimmung aufkommen lassen.

  1. Ich bin bei euch - im Wort der Verkündigung

 Angesichts der Herausforderungen, welchen sich der christliche Glaube in unserer Zeit und in unseren Breiten gegenübersieht und zu stellen hat, tut es im tiefsten Herzen wohl, aus dem Munde dessen, den wir verkündigen und bezeugen, zu vernehmen: “Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt­.”7 Diese Glaubensgewissheit birgt für jeden Verkünder des Wortes Gottes, ja für alle, die an der Weitergabe unseres Glaubens beteiligt sind, also gerade auch für die Eltern, etwas Tröstliches in sich. Wir dürfen vertrauen. Wir dürfen darauf bauen, dass Jesus selbst wirklich da ist im Wort der Verkündigung. Den Jüngern, die Jesus aussendet, gibt er die Gewissheit mit auf den Weg: “Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat.”8

Kirchliche Verkündigung beruht immer auf kirchlicher und letztlich göttlicher Sendung. Der Völkerapostel Paulus sagt: “Alle haben denselben Herrn; aus seinem Reichtum beschenkt er alle, die ihn anrufen. Denn jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden. Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt? Wie soll aber jemand verkündigen, wenn er nicht gesandt ist? Darum heißt es in der Schrift: Wie sind die Freudenboten willkommen, die Gutes verkündigen!”9

Wenn Jesus sagt: “Wer euch hört, der hört mich”10, hat das von uns nur Geltung, wenn wir so sprechen, wie er gesprochen hat; wenn wir so lehren, wie er gelehrt hat; wenn wir so handeln, wie er gehandelt hat - nämlich mit jener hingebungsvollen Liebe, die aus seinem Herzen strömt. Ein bekannter französischer Dichter hat einmal etwas sehr Beherzigenswertes geäussert: “Rede über Christus nur dann, wenn du gefragt wirst. Aber lebe so, dass man dich nach Christus fragt!”11 Es geht also bei der Ausübung unseres Verkündigungsauftrages um Glaubwürdigkeit. Wenn wir mit der Verkündigung der Botschaft Jesu Christi etwas bewegen wollen, dann muss das Wort der Verkündigung zunächst uns selbst getroffen haben - und zwar so, dass wir dabei bemerkt und begriffen haben: Jesus Christus selbst ist bei uns - im Wort der Verkündigung. Er gibt diesem Wort Kraft und Bestand. Er selbst ist dieses wirkmächtige und wirksame Wort. Er ist das lebendige Wort, das uns zum Lebenszeugnis für ihn befähigt.

Paulus, der Apostel Jesu Christi und­ Missionar durch und durch, schreibt in seinem Brief an die Gemeinde von Korinth: “Als ich zu euch kam, Brüder, kam ich nicht, um glänzende Reden oder gelehrte Weisheit vorzutragen, sondern um euch das Zeugnis Gottes zu verkündigen. Denn ich hatte mich entschlossen, bei euch nichts zu wissen außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten. Zudem kam ich in Schwäche und in Furcht, zitternd und bebend zu euch. Meine Botschaft und Verkündigung war nicht Überredung durch gewandte und kluge Worte, sondern war mit dem Erweis von Geist und Kraft verbunden, damit sich euer Glaube nicht auf Menschenweisheit stützte, sondern auf die Kraft Gottes.”12 Der Völkerapostel als Verkünder der wahren Weisheit Gottes hat den Menschen nie nach dem Mund geredet. Für ihn wie für jeden Verkünder ist die Botschaft vom Kreuz zentral. Dafür hat er und dafür haben viele andere den Märtyrertod erlitten. Das Bekenntnis der Wahrheit und das Zeugnis für den, der die Wahrheit ist, können buchstäblich das Leben kosten und bringen zugleich den Sieg über den Tod.

Das Evangelium von der Versuchung Jesu13 in der Wüste zeigt uns etwas sehr Bedeutungsvolles auf, wenn es um das Gespräch mit der sündigen Welt geht. Der Sohn Gottes führt mit dem Teufel keinen eigentlichen Dialog. Er lässt sich mit ihm nicht in eine Diskussion ein. Jesus schlägt den Versucher mit Worten der Heiligen Schrift, die nicht einfach Menschenwerk ist, sondern von der Kraft und Weisheit Gottes durchdrungen ist. Da kann es keinen Konsens und keinen Kompromiss geben. “Denn lebendig ist das Wort Gottes, kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Gelenk und Mark; es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens; vor ihm bleibt kein Geschöpf verborgen, sondern alles liegt nackt und bloß vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft schulden.”14 Es ist Jesus Christus selbst, der Ewige Richter, dem wir dereinst Rechenschaft schulden. Wie trostreich ist es zu wissen, dass er schon jetzt da ist - Er, der gesagt hat: “Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.”15

  1. Ich bin bei euch - in den Sakramenten der Kirche

Es ist zweifellos etwas geradezu Wunderbares und unüberbietbar Schönes, der wahren Kirche Christi anzugehören. In ihr haben wir teil an der Fülle der Heilswahrheit, wie sie uns im Wort der Verkündigung beständig nahekommt. Es ist ja Jesus selbst, der bei uns ist “alle Tage bis zum Ende der Welt” - Er, der von sich gesagt hat - und nur der Sohn Gottes kann dies von sich sagen -: “Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.”16 In der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche haben wir teil an diesem Leben, das Christus selbst ist, besonders durch die Sakramente. Diese Heils- und Heiligungsmittel machen uns christusförmig. Diese Gnadenmittel lassen den in uns und durch uns Gestalt werden, der uns verheissen hat: “Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt­.”17

Dem Missionsauftrag “Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern”18 folgt allsogleich der Taufauftrag “Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes”19, und es schliesst sich die Lehrbefugnis an “Lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten ha­be.”20 Die Taufe, wie sie Christus verfügt hat, verbindet alle Christen. Sie ist Voraussetzung und Grundlage aller anderen Sakramente, wie sie der wahren Kirche Christi endgültig eingestiftet und in ihr entfaltet sind. Alle sind eingeladen und aufgerufen, sich dieser Fülle des sakramentalen Lebens zu öffnen und sich zu ihr hinzuwenden. Das heisst im Klartext: Bekehrung, Konversion - gerade auch ständige Bekehrung, ständige Konversion.

Für den, der das Bußsakrament kennt oder kennen sollte, also namentlich für den katholischen Chris­ten, ergibt sich hier die Verpflichtung zur Beichte, zur Versöhnung mit Gott durch die persönliche Sündenvergebung. Die vorösterliche Bußzeit und auch die Osterzeit sind besonders dafür vorgesehen, dass wir eine gute Beichte ablegen und so unsere Taufgnade erneuern. Dazu braucht es Mut und Demut zugleich. Dabei geht es aber um nichts weniger als um unser Heil, um unsere Heilung und um unsere Heiligung.

Unser Herr Jesus Christus ist auf wunderbare Weise bei uns alle Tage bis ans Ende der Welt vor allem im Geheimnis der heiligen Eucharistie. So sind wir gehalten, den Heiland im Allerheiligsten Altarssakrament anzubeten und zu lieben - ihn, der aus Liebe zu uns seinen heiligen Leib am Kreuze hingegeben und sein kostbares Blut zu unserer Erlösung vergossen hat. Es darf für uns keinen Sonn- und Feiertag ohne heilige Messe geben. Und es muss uns ein Herzensanliegen sein, die heilige Kommunion im Stande der heiligmachenden Gnade zu empfangen. Dazu bedürfen wir der ständigen Gewissensprüfung und der Reinigung von Schuld.

Jesus Christus ist auch da alle Tage bis ans Ende der Zeiten, wenn durch die Kirche das Sakrament der Firmung gespendet wird. Denn die sieben Gaben des Heiligen Geistes kommen von dem, “der Herr ist und lebendig macht,­ der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten.”21 Durch die Ausgiessung des Heiligen Geistes in unsere Herzen erhalten wir die Kraft, beharrlich in der Nachfolge Christi zu verbleiben und in seinem Geist auf dem Pilgerweg des Glaubens voranzuschreiten. Es muss uns zu denken geben, wenn der Apostel Paulus unmissverständlich äussert: “Wer den Geist Chris­ti nicht hat, der gehört nicht zu ihm.”22 Wer aber nicht zu ihm gehört, der gehört auch nicht zur lebendigen Kirche; denn in ihr lebt gerade durch die Sakramente Christus fort.

Der Herr ist in allen sieben Sakramenten bei uns alle Tage bis zum Ende der Welt: er ist auch da, wenn das Sakrament der Krankensalbung gespendet wird; er ist da, wenn das Weihesakrament gespendet wird; er ist da, wenn das Ehesakrament gespendet wird. Er ist bleibend da, weil die Sakramente in ihm ihren Ursprung haben, so dass es in einer Präfation heisst: “Am Kreuz er­höht, hat er sich für uns dahingegeben aus unendlicher Liebe und alle an sich gezogen. Aus seiner geöffneten Seite strömen Blut und Wasser, aus seinem durchbohrten Herzen entspringen die Sakramente der Kirche. Das Herz des Erlösers steht offen für alle, damit sie freudig schöpfen aus den Quellen des Heiles.”23

  1. Ich bin bei euch - im Dienst der Liebe

In der Gemeinschaft der Kirche - und mag sie auch zur “kleinen Herde”24 werden - lebt Jesus Christus geheimnisvoll fort. Nur schon wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, da ist er mitten unter diesen.25 Gerade diese Überschaubarkeit der kleinen Gemeinschaft lässt uns verstehen, wie sehr wir im Dienst der Liebe, den wir einander erweisen, Jesu Gegenwart erfahren dürfen. Es ist oft leichter, die Übernächsten oder die Weitentfernten zu lieben als die Nächsten - also diejenigen, mit denen wir den Alltag teilen und die wir daher mit ihren Stärken und Vorzügen, aber eben auch mit ihren Schwächen, Fehlern und Grenzen besser kennen.

Die Nächstenliebe ist immer konkret: konkret in Bezug auf die Personen, konkret in Bezug auf die Umstände, konkret in Bezug auf die Sachverhalte. Hier können wir Tugenden üben - grosse und kleine; hier erlernen wir vor allem Feinfühligkeit und Einfühlsamkeit, Geduld und Ausdauer. Wir müssen uns immer mehr bemühen, im Nächsten Christus zu begegnen und zu lieben, auch und gerade wenn es uns vom Nächsten her nicht leicht­ gemacht wird.

Der Dienst der Liebe hat es nicht nur mit Hilfeleistung und Unterstützung zu tun; er entfaltet sich nicht nur im Bemühen um Gerechtigkeit und Barmherzigkeit; er zielt nicht nur ab auf irdisches Wohlergehen und Weltverbesserung. Der Dienst der Liebe ist auch und vor allem Ausdruck der Liebe zur Wahrheit, die Christus selber ist. Diese befreiende und frohmachende Wahrheit, die sich uns im Gottessohn selber schenkt, ist immer bei uns. Sie unterliegt nicht einer Einschätzung, die auf Beliebigkeit und willkürlicher Auswahl beruht. Sie erfährt ihre verbindliche Auslegung durch das Lehr- und Hirtenamt der Kirche.

Im Katechismus der Katholischen Kirche lesen wir: “Um die Kirche in der Reinheit des von den Aposteln überlieferten Glaubens zu erhalten, wollte Christus, der ja die Wahrheit ist, seine Kirche an seiner eigenen Unfehlbarkeit teilhaben lassen. Durch den «übernatürlichen Glaubenssinn» hält das Gottesvolk unter der Leitung des lebendigen Lehramtes der Kirche den Glauben unverlierbar fest.”26 So garantiert gerade das kirchliche Lehramt in seiner Lebendigkeit das, was Jesus verheissen hat: “Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.”27

Als Bistum sind wir eine sogenannte “Teilkirche”, von der gilt, dass sie “eine Gemeinschaft von Christen, die mit ihrem in der apostolischen Sukzession stehenden Bischof im Glauben und in den Sakramenten vereint ist.”28 Jede Teilkirche ist nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet. In den Teilkirchen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche.29 “Die Teilkirchen sind im Vollsinn katholisch durch die Gemeinschaft mit einer von ihnen: mit der Kirche von Rom, «die den Vorsitz in der Liebe führt».”30 Dieser “Vorsitz in der Liebe” ist nicht einfach ein Ehrenvorrang, sondern bezeichnet eine Vor- und Überordnung, die für das Leben der wahren Kirche Christi unabdingbar und unaufgebbar ist. Darin konzentriert sich gewissermassen ihre Katholizität. Davon hängt der umfassende Dienst der Liebe und damit auch der Dien­st an der Wahrheit ab, die Christus selber ist.

Wir können nicht katholisch sein und uns nicht katholisch nennen, wenn wir den Petrusdienst nicht anerkennen und uns nicht mit ihm verbunden wissen. Von jedem Träger des Petrusamtes dürfen wir aber erwarten, dass er Garant der Einheit, Garant der Wahr­heit und Garant der Ordnung ist. Wie sonst sollten der Vorsitz in der Liebe und der Dienst der Liebe gewährleistet sein und bleiben!

Die göttliche Liebe, die im Antlitz Jesu Christi aufleuchtet und aus seinem erbarmungsvollen Herzen strömt, gebiert gleichsam durch den Schoss der Kirche - eben der katholischen Kirche - die Sakramente. So verstehen wir sehr wohl, dass das Heil in der Kirche, mit ihr und durch sie erlangt wird und dass ihr Dienst der Liebe, der in der Heilswahrheit gründet, das Heil gewährleistet. Die entscheidende Frage für jeden von uns ist jedoch: Will ich das wahre Heil erlangen oder fühle ich mich im Unheil wohl - im Zustand der Unversöhntheit und des Unheiligen? Bei der weitverbreiteten Mentalität der Gleichgültigkeit ist diese Frage mehr als berechtigt.

Wir sind bei unserem Verlangen nach Heil und Heiligkeit nicht alleingelassen. Wir dürfen auf die Experten des Heils und der Heiligkeit schauen, auf die Vorbilder der dienenden Liebe, auf die Engel und Heiligen des Himmels. Auch und gerade durch sie ist Jesus Christus uns besonders nahe, der gesagt hat: “Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.”31

Unter den Experten des Heils und der Heiligkeit nimmt Maria, die Mutter Jesu und die Mutter der Kirche, den ersten Platz ein. Sie hat uns den Erlöser der Welt geboren. Sie ist nie von seiner Seite gewichen. Sie ist ihrem Sohn in Freuden und Leiden nahe gewesen. Sie ist uns von Jesus am Kreuz zur Mutter gegeben worden. Sie trägt auch uns nichts anderes auf als das, was sie den Dienern bei der Hochzeit zu Kana aufgetragen hat: “Was er euch sagt, das tut!”32 Wenn wir dann tun, was Jesus uns sagt, geschehen Zeichen und Wunder - eben Unverhofftes und Überraschendes. Dafür müssen wir uns offenhalten. Dazu braucht es das Licht des Glaubens, die Wach­heit des Geistes, die Liebesfähigkeit des Herzens. Darin ist die Jungfrau und Mutter Maria unser leuchtendes Beispiel - mit ihrem erleuchteten Glauben, mit ihrem wachen Geist, mit ihrem liebevollen Herzen.

Seien wir also auch da sicher: Maria ist bei uns alle Tage bis zum Ende der Welt. Ihr Beispiel der gehorsamen und demütigen Hingabe an Gottes Willen, ihr Vorbild in der treuen Nach­folge Jesu, ihr einzigartiger Tugendreichtum und ihre machtvolle Fürsprache am Throne Gottes spornen uns an zum Durch­halten in allen Widerwärtigkeiten, Anfechtungen und Bewährungsproben; sie geben uns Mut und Kraft in den Bedrohungen und Gefährdungen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe; sie helfen uns, falsche Bedenken, angstvolles Zögern und lähmenden Zweifel zu überwinden. 

Jesus ist bei uns und bleibt bei uns im Wort der Verkündigung, in den Sakramenten der Kirche, im Dienst der Liebe - und dies in jener geheimnisvollen Verbindung seines heiligsten Herzens mit dem unbefleckten Herzen seiner Mutter. Seien wir also gewiss: Jesus Christus und Maria sind bei uns alle Tage bis zur Vollendung der Welt! Amen.

Schellenberg, am Gedenktag Unserer Lieben Frau von Lourdes, 11. Februar 2014

✠ Wolfgang Haas, Erzbischof von Vaduz

 

1           Mt 28,17

2           Vgl. die Botschaft von Papst Franziskus zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 2014, Nr. 1

3           Eigentlich “Seht”, im Lateinischen “ecce”, was ein Ausruf ist, der Aufmerk-samkeit auslösen möchte.

4           Mt 28,18-20

5           Mt 12,36

6           Mt 28,17

7           Mt 28,20

8           Lk 10,16

9           Röm 10,12-15

10         Lk 10,16

11         Paul Claudel (1868-1955), französischer Schriftsteller, Dichter und Diplomat

12         1 Kor 2,1-5

13         Mt 4,1-11

14         Hebr 4,12-13

15         Mt 28,20

16         Joh 14,6

17         Mt 28,20

18         Mt 28,19

19         Mt 28,19

20         Mt 28,20

21         Vgl. Grosses Glaubenbekenntnis (Credo)

22         Röm 8,9

23         Präfation vom heiligsten Herzen Jesu

24         Vgl. Lk 12,32

25         Vgl. Mt 18,20

26         KKK Nr. 889

27         Mt 28,20

28         KKK Nr. 833

29         Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche “Lumen gentium” (1964), Nr. 23

30         KKK Nr. 834 mit Verweis auf die betreffende Stelle im Brief des heiligen Ignatius von Antiochien an die Römer

31         Mt 28,20

32         Joh 2,5